Heute ist der Tag gekommen, an dem sich vieles für mich entscheiden wird. Zunächst die grosse, alles entscheidende Wahl zum Bezirksobmann der Parkkatzen im ganzen Bezirk.

In unserem Bezirk, dem 3. Wiener Gemeindebezirk, sind insgesamt ca. 15 Parks, weit verstreut und sehr gross. Unser Dannebergpark (von den Menschen auch Arenbergpark genannt) ist zwar einer der grössten, aber glücklicherweise gleich vor meiner „Haustüre“. Die anderen Parks sind grossteils in der Nähe, wo man nächtens nicht weit rennen muss, aber es gibt doch einige, die weiter entfernt sind.

Naja, sollte ich zum Bezirksobmann gewählt werden, müsste ich natürlich auch in den ferneren Parks sogenannte „Statthalter“ bestellen. Dies wäre zwar eine grosse Verantwortung, eine grosse Aufgabe, aber auch eine grosse Ehre für mich. In den letzten Tagen war von meinen Katzenkumpeln die Nachricht an mich durchgedrungen, dass viele Kater und Katzen mich als diesen obersten Verantwortungsträger haben wollten. Ich muss zugeben, diese Nachricht war ganz schön aufregend für mich.

Zum Bereichsobmann von 5 Parks in der näheren Umgebung war ich schon seit einiger Zeit gewählt worden, aber als Bezirksobmann wäre mein Einsatzgebiet ja sehr viel grösser und weitläufiger.

Natürlich habe ich meine Bella gefragt, was sie denn davon halten würde, wenn ich in der Nacht öfters länger weg wäre. Sie ist eine Liebe und lässt mir freie Hand, gab mir zu verstehen, dass sie nichts dagegen hat, wenn ich öfters in den anderen, auch entfernteren Parks meine dortigen Kollegen besuche und nach dem Rechten sehe. Bisher habe ich nichts Aussergewöhnliches von diesen Parks gehört; ich weiss nur, dass dort sehr einflussreiche Katzenkollegen tätig sind und alles unter Kontrolle haben, aber man weiss ja nie. Jetzt bin ich bereits fast 33 Katzenjahre alt, bestens trainiert, sehr schnell auf den Beinen und an Erfahrung reich, dennoch habe ich ein wenig Respekt vor den dortigen Kumpels. Manche kennen mich persönlich, aber viele eben nur vom Hörensagen. Ich bin neugierig, wie sie abstimmen werden. Immerhin leben in diesen Parks mehr als tausend Kater und Katzen und es wird eine wohl turbulente Reise werden, wenn die Wahl vorbei ist und ich eventuell dieses grosse, bedeutende Amt ausüben kann.

Die Wahl wurde für Mitternacht einberufen, und es kamen viele, viele Kätzinnen und Kumpels aus den fernen Parks. Das Prozedere war folgendermassen: Von jedem der 15 Parks im Bezirk kamen die beiden Verantwortlichen, dazu noch einige ältere, sozusagen Weise und einige andere Kumpels, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung eingesetzt wurden. Insgesamt kamen ungefähr 100 Kollegen zur Stimmabgabe. Nominiert waren unter anderem mein Freund Kauno, Timmo aus dem Nachbarpark Sebastianplatz, Reno vom Modenapark, Perry vom Botanischen Garten sowie Lucy, eine Kätzin vom Ziehrerpark.

Um nicht zu sehr bei den Menschen aufzufallen, kamen meine Kumpels und die Kätzinnen einzeln oder in kleinen Grüppchen zu uns in den Dannebergpark in die Nähe des Flakturms, setzten sich ins Gras oder scharten sich unter Bäumen und

Sträuchern und warteten auf die Nominierten und Freunde. Eine äusserst grosse Ehre gab uns auch Tenny, ein beachtlicher schwarzer Kater, der als Obmann des Stadtparks weit über die Grenzen Wiens bekannt war – ja, so wie ich; und darauf war ich sehr stolz. Er kam mit 5 anderen Katern zu uns, um das Geschehen und die Wahl zu beobachten. Natürlich begrüsste er mich sehr herzlich – wir kannten einander recht gut – , legte seinen Schwanz um mich, und wir gingen ein Stück. „Mein Park“ wurde als Wahlplatz ausgewählt, was mich ziemlich stolz machte. Kauno als mein Stellvertreter rechnete sich keine allzu grossen Chancen aus, und es wäre ihm sicher recht, in seinem Amt als meine „rechte Hand“ bleiben zu können. Kauno hatte selbst keine grossen Ambitionen, ein hohes Amt zu bekleiden und von seiner geliebten Raja getrennt zu werden. Getrennt vor allem nachts, wenn er in die übrigen Parks zur Kontrolle und zur Beratung eilen müsste.

Langsam kamen sie alle zusammen. Weit nach Mitternacht – es war schon sehr ruhig in den Parks und die Menschen schliefen zum Grossteil -, kamen wir alle zur Abstimmung zusammen.

Ich war mittlerweile eine sehr kräftige und muskulöse Erscheinung geworden und hatte noch mehr an Kraft und Schnelligkeit antrainiert, als damals bei meinem Gewinn der Olympia-Silbermedaille. Deshalb forderte mich ein anderer nominierter Kater, es war Perry, auf, mit ihm ein Wettrennen zu veranstalten. Die anderen Nominierten stimmten diesem Vorschlag zu, wussten aber, dass ich die goldene Olympiamedaille im Sprint errungen hatte, und dachten wohl heimlich, dass Perry, der sicher auch sehr schnell und wendig war, mich herausfordern könnte. Also gut. Ich wollte nicht kneifen, war super in Form und gut trainiert, deshalb stimmte ich seinem Verlangen nach einem Sprintrennen zu.

Wir legten die Strecke und die Entfernung fest, wählten Schiedsrichter – ich nahm Timmo, denn Kauno durfte als mein Vertrauter nicht teilnehmen – und stellten uns auf. Ich hatte keine Bedenken, denn ich wusste um meine Qualitäten, war vielleicht noch schneller als vor einem Jahr bei der Olympiade, und bestens in Form. Auch Perry nahm einen Schiedsrichter und wir blickten auf die beiden, als sie den Start frei gaben. Perry war schnell, sehr schnell und konnte am Anfang mit mir mithalten. Ich musste mich ganz schön anstrengen, aber in der Schlussphase wurde er langsamer und so konnte ich doch deutlich mit mindestens fünf Metern Vorsprung gewinnen. Perry gratulierte mir und ging wortlos in die Dunkelheit. Ich dachte, dass er das so nicht erwartet hätte, immerhin wurde er von seinen Kumpels als roter Blitz vom Botanischen Garten verehrt. Er konnte nicht damit rechnen, dass er in mir seinen Meister gefunden hätte.

Die Wahl begann. Man kann sich das so vorstellen: Ein Kandidat tritt in die Mitte eines Kreises, darauf tauchen die Wähler aus dem Dunkel der Umgebung, stellen sich in die Nähe des Kandidaten und zeigen ihm, dass er von ihnen gewählt wird.

Bei meinen fünf Mitbewerbern traten nur sehr wenige in den Kreis, was meine Angespanntheit erhöhte. Ich wurde als Letzter in die Mitte gerufen.

„Benny, jetzt bitte du“! rief Tenny, mein Freund aus dem grössten Wiener Park, der die Wahl leitete.

Ich ging also langsam in die Mitte des Kreises und konnte es nicht glauben. Fast alle Katzen kamen der Aufforderung nach und gingen in den Kreis. Es waren 90 % der anwesenden Wählerinnen und Wähler.

Überwältigt von Stolz und Rührung blickte ich zu Boden. Ich konnte es lange Zeit nicht fassen. Ich wurde Bezirksobmann aller Parkkatzen, und das waren immerhin mehr als tausend in unserem 3. Bezirk.

Logischerweise sehen uns die Menschen tagsüber nicht, aber natürlich, in der Dämmerung wurden wir aktiv und gingen unseren „Geschäften“ nach. Anders als bei unseren zweibeinigen Freunden, den Menschen, die des Nachts schlafen und am Tag arbeiten.

Nun kamen sie alle zu mir und gratulierten mir zu diesem grossartigen Erfolg. Tenny erklärte mich zum Bezirksobmann der Parkkatzen, und alle anwesenden Kätzinnen und Katzen wedelten als Zustimmung mit ihren Schwänzen und blickten teilweise mit blinzelnden Augen zu mir. Grisella (ursprünglich „Lucy, eine Kätzin vom Ziehrerpark“), die einzige nominierte Kätzin, der aber nur drei Kätzinnen bei der Abstimmung gefolgt waren, kam zu mir und fragte mich, wann ich sie im Park besuchen würde, denn sie hätte viel von mir und meinen Aktivitäten gehört und hätte viele Fragen; auch wegen der Autorität, die bei ihr nicht so ausgeprägt war, dennoch war sie da; vielleicht auch deshalb, weil sehr wenige Kater in ihrem Park unterwegs waren. Ich versicherte ihr, dass ich so bald wie möglich zu ihr in die Anlage kommen würde, um sie zu beraten. Ihr glückliches Katzengesicht sagte mir damals mehr als jedes „miau“.

Vor lauter Freude und Übermut gingen Kauno und ich noch gemeinsam auf Rattenjagd, aber mehr aus Spaß, denn die Ratten hatten sich ängstlich in ihre Verstecke zurückgezogen, und es reichte uns, sie zu erschrecken. Hungrig waren wir ohnehin nicht. Die anderen Kumpels beobachteten uns, bevor sie sich wieder in ihre Parks zurückzogen, nicht ohne ein langgezogenes „MIAUUU“ in meine Richtung. Sie hatten mich akzeptiert, das machte diesen Tag zu einem der eindrucksvollsten Tage meines Lebens. Aber es sollten noch viele schöne und auch lehrreiche Tage werden, denn ich stand in der Blüte meines Katzenlebens, und mit Bella an meiner Seite, der ich noch vom Resultat der Abstimmung berichten musste, war mein Leben wunderschön…

Stolz und zufrieden, glücklich und erleichtert, kletterte ich auf meinen Balkon, schlüpfte mit Kauno durch die Katzenklappe in die Wohnung meines Herrchens und legte mich im Morgengrauen zu Bella ins Körbchen, die wieder leise schnurrte und sich an mich kuschelte….