Kauno sass im Gras und leckte sich noch die Pfote, die ziemlich ramponiert aussah. Ein grosses Cut, von Devil’s Zähnen gerissen, klaffte auf. Die Blutung war gestillt, aber ein Hautfetzen aus seinem Ohr hing hinab. Er bat mich um Hilfe. Ich sollte ihm dieses Stück von seinem Ohr abbeissen und eine eventuelle Blutung ablecken. Klar für mich, dass ich ihm diesen Gefallen tat. Die anderen Katzen gingen wieder ihren Beschäftigungen nach und zerstreuten sich im Park und in der Umgebung, nicht ohne ein anerkennendes „Miau“ zur Bestätigung ihrer Wahl auszulassen, mich als ihren Anführer im Park zu akzeptieren. Ich war mir jetzt auch meiner grossen Verantwortung bewusst, hier immer wieder auch als Richter und Wächter der Katzensitten aufzutreten.

Ungerechtigkeiten unter Katzen zu unterbinden oder zu verhindern, war meine Aufgabe geworden. Ich habe mich darum nicht beworben – ich bin es durch mein Einschreiten geworden. Wirklich eine grosse Ehre für mich, aber auch eine irrsinnig grosse Verantwortung.

Ich musste jetzt über das Tun und Lassen anderer Katzen entscheiden, mein Wort hatte grosses Gewicht, also musste ich immer alles genau gegeneinander abwägen.

Kauno humpelte mit mir zu meinem Baum, um von dort aus auf den Balkon zu gelangen; aber er schaffte den Aufstieg nicht. Zu sehr schmerze ihn die Pfote. Sein linkes Ohr konnte ich behandeln, sodass es bald heilen würde, aber auf seiner Pfote klaffte die Wunde noch auseinander, und er dürfte auch grosse Schmerzen gehabt haben, als er sehnsüchtig zu meinem Balkon hinauf blickte.

Was jetzt passierte, war wohl einmalig in unserer Katzenwelt. Ein Mensch kam des Weges und blickte uns beide an. Er sprach zu mir: „Oh, bist du aber ein schöner, kräftiger Kater… und was für ein glänzendes Fell du hast! Aber was ist mit deinem Freund? Der schaut ja sehr lädiert aus.“ Kauno schnurrte und blickte ständig auf den Balkon hinauf. “ Möchtest du da wohl hinauf“, meinte der Mann zu Kauno. Naja, die 4 Meter kann ich dich nicht heben, aber durch den Hausflur kann ich dich führen. Gesagt – getan. Er nahm Kauno sanft auf den Arm, ging durch den Hausflur und läutete an der Tür. Mein Herrchen war gerade nach Hause gekommen und öffnete, als wir beide vor der Wohnungstür warteten.

„Herrje, wie sieht denn dein Freund aus? Was ist denn dem wiederfahren?“…Ich miaute kurz und schnurrte, was so viel hiess wie: „Lass uns doch bitte herein, Kauno geht’s nicht so gut“, und bereitwillig liess uns mein Besitzer in die Wohnung. Mit lautem Miauen bedankten wir uns bei dem netten Menschen, der Kauno durchs Stiegenhaus getragen hatte, und ich zeigte meinem Freund, wo er sich hinlegen konnte.

Mein Herrchen war erstaunt, dass ich einen anderen Kater zu mir in die Wohnung liess, aber er verstand vielleicht, dass mein Katzenfreund – den er ja kannte – meine Hilfe benötigte. Und ich musste meinem Freund helfen. Ich lief also zu meinem Herrchen und miaute so lange, bis er aufmerksam wurde, zu Kauno kam, ihn betrachtete und entschied, ihn zum Tierarzt zu bringen, was er mir auch erklärte. Er steckte Kauno in meinen Transportkorb und bereitete sich vor, in die nahe gelegene Tierklinik zu gehen. Kauno schrie und kratzte gegen die Tür, weil er dachte, dass er wieder fortgebracht würde, aber ich gab ihm zu verstehen, dass er sich keine Sorgen machen solle, denn mein Herrchen würde ihn zum Tierarzt bringen, der ihm dann die verwundete Pfote versorgen würde. Daraufhin war mein Kumpel beruhigt und liess sich ohne weiteres in die Klinik bringen.

Was dort geschah, schilderte mir Kauno dann abends, als wir wieder am Balkon lagen…in der Abendsonne, die wärmend auf Kaunos genähte Pfote schien. Seither wird auch er von meinem Herrchen als zweite Katze anerkannt und bekommt – wenn er möchte – dasselbe Futter wie ich. Eine zweite Futterschale wurde angeschafft und auch Knabberfutter in Mengen, die grösser waren als zuvor, denn nun waren wir ja zu zweit.

Ich war sehr glücklich, dass Kauno nun offiziell von meinem Herrchen anerkannt wurde und nun wohl für immer einen Platz bei uns haben würde. Ein Zuhause, wie es sich eine Katze nur wünschen kann: Freiheit, wann immer man will, Futter und Wasser in grossen, ausreichenden Mengen und sehr viel Zuneigung seitens meines Herrchens für uns beide.

Kauno war glücklich wie noch nie; und schnell heilten seine Wunden – auch die seelischen….