Es war an einem sonnendurchfluteten Sonntag – wieder lag ich mit Kauno auf unserem Balkon in den bequemen Sesseln – als mein Herrchen nach Hause kam. In seiner Begleitung eine hübsche, liebevolle Menschendame. Sie hielten sich an den Pfoten, oh sorry, natürlich an den Händen, und kamen zu mir auf den Balkon. Kauno erschrak. Aber die sanfte, vertraute Stimme meines Herrchens liess ihn wieder auf den Sessel sinken in der Gewissheit, dass er sich hier ohne weiteres aufhalten dürfe. Mein Besitzer kannte Kauno natürlich schon und brachte uns beiden immer wieder Futter mit, das ich mit meinem Katzenfreund teilte. Diesmal blickte auch seine Begleitung auf den Balkon und sagte in etwa: “ Hast du zwei Katzen? Ich dachte du hättest nur den Benny?“ Mein Herrchen lächelte und erklärte ihr die Zusammenhänge. Dass Kauno mein Freund sei, dass er schon sehr lange im Park als „Freigänger“ unterwegs war und im Grunde kein „zu Hause“ hatte. Er dürfe aber selbstverständlich hier auf dem Balkon mit Benny liegen, ohne jemals verscheucht zu werden.

 

Ich konnte meinem Herrchen ja nicht erklären, dass Kauno in ein Auto gelaufen war, lange Zeit gesund gepflegt wurde, wieder ausriss und doch lieber frei lebte, als allein in einer Wohnung eingesperrt zu sein. Wir verstanden uns blind, Kauno und ich, und mein Besitzer nahm das mit Freuden zur Kenntnis. Er dachte wohl, dass es so etwas wie Freundschaft auch für Katzen gab.

 

In den folgenden Tagen kam immer öfter diese Menschenfrau zu meinem Herrchen und übernachtete sogar bei ihm. Ich wusste das, denn wenn ich morgens nach meinen Streifzügen mit Kauno auf den Balkon schlüpfte, hörte ich sie reden. Manchmal kroch ich durch die Katzenklappe in die Wohnung und konnte sehen, wie gut sich diese beiden Menschen vertrugen. Ich hörte auch des Öfteren den Namen „Bella“, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Noch nicht.

 

Mein Herrchen und diese Frau gingen oft abends weg, kamen kichernd spät in der Nacht nach Hause, und am nächsten Morgen war wieder „Katerfrühstück“ angesagt. Das ging einige Zeit so weiter. Mir als Kater konnte das ja egal sein. Ich streifte des Nachts immer mit Kauno und auch manchen anderen Katzen durch die Parks in der Umgebung. Des Nachts deswegen, weil da sehr wenige Autos unterwegs waren und auch die Container manchmal offen blieben. Die Menschen werfen ja so viel weg, das kann man sich kaum vorstellen, und für uns Katzen ist so mancher Leckerbissen dabei.

 

Der Vorfall mit „Devil“, dem bösen Kater, machte die Runde auch in den angrenzenden Parks, sodass mir fast alle Katzen, die ebenfalls in der Nacht ihr Glück bei der Futterbeschaffung versuchten, grosse Achtung entgegenbrachten. Viele fragten mich auch, wo denn genau Futter zu holen sei, und ob ich wüsste, wo eventuell Schlafplätze zur Verfügung stünden. Ich konnte zwar nicht alle ihre Fragen beantworten, versuchte aber dennoch, ihnen zu helfen, so gut es eben ging. Immer öfter dachte ich nach: Warum begegneten mir denn alle anderen Kater und Kätzinnen mit dieser Hochachtung, mit diesem Respekt?

 

Später erfuhr ich natürlich, warum. Weit über die Grenzen unseres Parks hinaus wurde über mein Verhalten Devil gegenüber und über die Verteidigung Kaunos gesprochen. Und irgendwie musste Kauno diesen Katzen auch von meinem Abschneiden bei der Katzenolympiade im Frühling berichtet haben.

 

Sollte ich jetzt meinen Kopf höher tragen, sollte ich womöglich die anderen Katzen von oben herab betrachten? Nein, niemals. Niemals würde ich so etwas tun. Ich wollte immer der bleiben, der ich war. Ein bodenständiger, naturverbundener und bescheidener Kater, der zwar innerlich stolz auf seine Leistungen ist, aber nie gross davon reden würde… denn: wer es wissen will, wird es ohnedies erfahren, und wer es nicht wissen will, wird auch ohne mein Zutun glücklich bleiben.

 

Kauno wuchs mir immer mehr ans Herz. Wir waren ein sogenanntes Dreamteam, das seinesgleichen in der Katzenwelt suchte.