Kauno hatte lange im bequemen Fauteuil auf dem Balkon geschlafen. Dieser Balkon war in den warmen Monaten immer mein Schlafplatz. Aber seit ich Kauno zu meinen Katzenfreunden zählen durfte, schlief auch er auf Herrlis Balkon im Freien, und zwar im zweiten Fauteuil. In der kalten Jahreszeit zog ich mich lieber in die warme Wohnung zurück, aber wenn es draussen – im Freien – warm wurde, hielt ich mich doch lieber auf dem Balkon auf, um zu schlafen, auch deswegen, weil der Balkon sehr gross war, und ich eine Katzenklappe hatte, die es mir erlaubte, aus und ein zu gehen, wann immer ich wollte. Auch ich schätzte ja meine Freiheit, und Kauno sowieso.

 

Kauno wachte auf und sah mich an. „Also, du wolltest wissen, wie mein Leben verlaufen ist“, sagte er gähnend. „Ich habe dir auch alles erzählt. Jetzt bin ich aber neugierig, wie es denn dir so ergangen ist, seit du auf der Welt bist.“ Das musste ja so kommen, denn Kauno war auch neugierig, wie das halt so ist mit Freunden – Katzenfreunden natürlich.

 

Daher blickte ich Kauno an und begann zu erzählen: „Ich wuchs als kleines Katzenkind mit drei anderen Geschwisterchen in der Großstadt auf. Wir lebten in einer Wohnung, und meine Besitzer waren entsetzt, als meine Mutter mit knapp einem Menschenjahr – also circa 15 Katzenjahren – trächtig wurde. Sie war eine Katzenschönheit und auch von edler Abstammung, aber ihre Besitzer hatten nicht geglaubt, dass sie jemals mit einem Kater zusammen kommen würde. Doch dem war eben nicht so. Sie war rollig geworden und hatte die Aufmerksamkeit eines Zuchtkaters erregt. Dieser Zuchtkater wohnte nicht weit entfernt von unserer Wohnung. Eine Familie hatte ihn für Ausstellungen und Wettbewerbe bei sich aufgenommen, und irgendwie schafften es die beiden, sich zu treffen. Beabsichtigt war dieses Treffen von den Menschen, bei denen sie lebten, nie – dennoch fand es statt.

 

Meine Mutter wurde also trächtig, und wir kamen auf die Welt. Vier kleine Katzen-kinder in einer Wohnung – zusammen mit meiner Mutter; das konnte nicht gut gehen. Die Familie suchte deswegen Menschen, die gerne Katzen aufnehmen, und fanden mein Herrchen. Ihm war kurz vor meiner Geburt eine Katze gestorben, die schon fast 90 Katzenjahre alt war und zum Schluss schon sehr krank. Ich wusste nur, dass sie Lucy geheissen hatte, und mein Herrchen sehr an ihr gehangen war. Er holte mich also mit zirka 4 Katzenjahren von dieser Familie ab, doch was aus meinen Geschwistern wurde, blieb mir bis heute verborgen. Aber ich war glücklich, auf einen guten Platz gekommen zu sein, wo sich jemand um mich kümmern konnte. Ich war ja noch ein kleines Katzenkind, doch mein Herrchen war auch ein besonderer Mensch. Er hatte ja jahrelange Erfahrung mit Katzen und lehrte mich sehr vieles. Dass ich dann zur Katzenolympiade angemeldet wurde, war seine Idee. Er spielte mit mir und trainierte mich sehr oft, war daher auch in der Lage, mein Potenzial zu erkennen und zu fördern; eben so lange, bis ich reif war, an der Olympiade für Katzen teil zu nehmen. Dass ich dort den dritten Platz und die Bronzemedaille gewonnen habe, war das Verdienst meines Herrchens und seiner Ausdauer mit mir zu verdanken.

 

Ja, und dann sind wir hier in diese Wohnung gezogen, wo es diesen wunderschönen Balkon gibt und den Baum, um öfters in den Park zu springen und dort auch Futter zu holen und mit anderen Katzen zu spielen oder zu jagen. Ist ja eine wunderbare Beschäftigung – und dich habe ich dabei auch kennen gelernt.

 

Heute, mit meinen fast 27 Katzenjahren, fühle ich mich fit und kräftig, mein Katzen-leben selbst zu gestalten, und, was für mich besonders wichtig ist: Mein Herrchen lässt es zu, dass ich selbständig in den Park gehe, auch ab und zu in andere Parks wechsle und mein freies Katzenleben führe.

 

Was ich so mitbekommen habe, möchte er mich nochmals für die Katzenolympiade  anmelden. Diesmal findet sie in Österreich statt. Das Training dazu werden wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit aufnehmen. Willst du nicht auch mitmachen?“

 

Kauno blickte mich ungläubig an und verzog keine Miene. „Glaubst du, dass ich das schaffe?“, fragte er mich. „Also probieren würde ich es schon“, gab ich ihm zu verstehen. „Ich kann dir ja auch vieles beibringen, was mir mein Herrchen so erklärt hat und was er dann mit mir trainieren wird. Aber es ist ohnehin noch Zeit bis dorthin. Du kannst es dir ja noch überlegen; und hab keine Angst, denn du bist von deiner Körperstruktur her wunderbar geeignet. Nur musst du jeden Tag eifrig trainieren – dann wird es schon klappen…“

 

Kaunos Augen blitzten, und ich hatte den Eindruck, dass er wirklich interessiert war, an der Katzenolympiade teilzunehmen….

 

aber das ist eine andere Geschichte….