Nun ist schon wieder eine ganze Weile vergangen, seit unsere liebe Raja in unserer Mitte aufgenommen worden war. Kauno trainierte wie ein Besessener für die Katzenolympiade, an der er gerne teilgenommen hätte, aber noch nicht wusste, ob ich mein Herrchen überzeugen konnte, ihn zu den Ausscheidungskämpfen nach Salzburg mitzunehmen. Mein Freund übernahm meine Anweisungen, denn ich wusste ja, wie man trainiert, wusste, wie man Muskeln an den Pfoten aufbauen konnte, und wusste auch, welch harte Arbeit damit verbunden war.

Raja sass immer in Kaunos Nähe und sah ihm interessiert zu. Mein Besitzer hatte mich natürlich schon längst zu den Vorkämpfen in Salzburg angemeldet, sodass für mich klar war, dass ich dort starten durfte, allein aus der Tatsache heraus, dass ich bei der vergangenen Katzenolympiade Bronze gewonnen hatte. Ich hatte also einen Fixstartplatz, aber wenn Kauno angemeldet werden wollte, musste ich Herrchen davon überzeugen, dass es Sinn machte, eine Nennung abzugeben. Aber wie sollte ich das anstellen?

Mein Kumpel trainierte Hochsprünge, Weitsprünge und Sprints. Er trainierte seine Muskulatur, allein seine rechte Vorderpfote, die Devil ihm seinerzeit verletzt hatte, konnte nicht mehr so richtig eingesetzt werden. Aber Kauno machte das nichts aus; er übte deswegen viel mehr Sprünge mit den Hinterbeinen, wobei diese Muskeln immer kräftiger wurden. Ich betrachtete von Zeit zu Zeit seine körperliche Verfassung und stellte mit Erstaunen fest, wie rasch seine Muskulatur gewachsen war.

Bevor Kauno den Unfall mit dem Auto gehabt hatte, seine Rippen also noch in Ordnung gewesen waren, war er ein äusserst kräftiger und flinker Kater gewesen, aber der Autounfall hatte bei ihm etwas ausgelöst, das ich noch nicht nachvollziehen konnte.

Dennoch war mir klar, dass er eine ernste Konkurrenz für mich werden könnte. Auch deshalb, weil er sogar um einiges ausdauernder war als ich. Wie sollte ich nun mein Herrchen überzeugen, ihn mitzunehmen?

Ich hatte einen Plan. Eines Abends, als Herrchen mit mir trainierte, hielt ich plötzlich inne und rannte zu Kauno, der gerade aus dem Park auf den Balkon sprang. Diese Leichtigkeit der Bewegungen fiel auch meinem Besitzer auf. Ich miaute ununterbrochen, rannte zu Kauno, rannte retour zu meinem menschlichen Trainer, wieder zu Kauno und blickte ununterbrochen von ihm zu meinem Herrchen. Dem fiel auf, dass mein Kumpel mittlerweile eine kraftvolle Erscheinung geworden war. Unübersehbar seine Verblüffung darüber, mit welcher Eleganz und Leichtigkeit Kauno auf den Baum geklettert und auf den Balkon gesprungen war, wie ausgeprägt Kaunos Muskeln waren, und mein Miauen nahm kein Ende. Ich wollte ihm erklären, dass mein Freund bereit war, an den Ausscheidungskämpfen teilzunehmen.

Endlich erkannte mein Besitzer mein Vorhaben, er beugte sich zu mir herab, streichelte mich und sagte: „Sollen wir deinen Kumpel zu den Kämpfen in Salzburg anmelden und mitnehmen?

Ich konnte natürlich seine Worte nicht zur Gänze verstehen, aber aus seinem Verhalten erkannte ich seine Bereitschaft, auch Kauno zu den Vorausscheidungen in Salzburg mitzunehmen. Als ich Kauno das in unserer Katzensprache mitteilte, miaute er so laut und eindringlich, dass mein Herrchen zu lachen anfing. Er sagte zu Kauno sinngemäss: :“Ok, so wie du aussiehst, hast du wahrlich grosse Chancen, ins nationale Finale zu kommen und eventuell an der Katzenolympiade teilzunehmen.“

Die Freude meines Freundes nahm kein Ende, als ich ihm übersetzte, was mir mein Besitzer gerade mitteilte. Er rannte zu Raja und erzählte ihr von seinem Glück, mitgenommen zu werden. Allerdings war noch etwas Zeit bis dorthin, und wir mussten das Training fortsetzen – diesmal auch mit Kauno.

Mein Herrchen stellte sich im Wohnzimmer auf, und wir mussten auf den hohen Kasten springen – unzählige Male. Wir rannten durch die ganze Wohnung, machten zwischen durch immer kurze Sprints. Wir mussten auch für die Disziplin Hoch/Weit trainieren, die viele Katzen wunderbar beherrschen. Dazu spannte mein Herrchen ein Seil weit vor dem Kasten, und wir mussten die „Diagonale“ springen.

Jeden Tag wurde mehrere Stunden trainiert. Die Strenge und die Ausdauer meines Besitzers machte mit der Zeit wettbewerbsfähige Katzen aus uns. Und – ich hatte noch mehr Achtung vor meinem Kumpel, der um einiges intensiver trainierte als ich.

Die Zeit der Abreise nach Salzburg kam immer näher, und unsere Aufregung wuchs von Stunde zu Stunde. Kauno fragte mich ständig, wie denn solche Vorkämpfe ablaufen würden, und nach unseren Trainingseinheiten sprachen wir sehr lange und ausführlich über die Abläufe dieser Veranstaltung.

Raja sass immer bei uns und hörte sprachlos zu, wenn wir uns unterhielten. Sie war eine Katzenschönheit geworden und könnte an Schönheitswettbewerben teilnehmen – nur – ohne Stammbaum geht dort gar nichts. Niemand wusste – ausser uns – dass sie von edler Abstammung war, und dass ihre Mutter einst die Schönheitskönigin aller österreichischen Katzen war. Ihren Vater hatte sie nie kennen gelernt; er wurde ihr immer verheimlicht, denn ein „gewöhnlicher“ Kater passte nicht in das Konzept der Besitzer ihrer Mutter. Diese hiess Corlinde von Hohenegg-Rauhof, der Name eines uralten Katzengeschlechts, das aus der Nähe von Horn im Waldviertel stammte.

Aber Raja war bescheiden und ruhig, sie wusste, dass sie nicht hässlich war – sie wusste aber auch, dass es auch andere Zeiten gegeben hatte, bevor sie Kauno kennengelernt hatte: als sie im Park als unglückliches Wesen herumgestrichen war und nichts zu fressen hatte; jetzt war sie dankbar, in einer gesicherten Umgebung zu leben – und Kauno als ihren „Freund“ zu haben. Sie bewunderte ihn heimlich, zeigte es aber nie offen, denn das gehörte sich nicht für eine Katze aus ihren Kreisen…..