Noch war die Katzenolympiade in weiter Ferne, aber wir trainierten wie besessen. Ständig sprachen wir über diesen grossen Event, und täglich stieg die Spannung in uns und auch bei Herrchen. Dieser trainierte nach seiner Arbeit immer eine Zeit lang mit uns, ging aber abends oft weg, und wir wussten nicht, wohin.

Eines Abends ging er nicht weg, er schien auf etwas zu warten, kaufte spezielles Menschenessen, brachte uns leckeren Fisch und köstliche Katzendosen, Spezial-brekkies und vieles mehr. Wir drei wunderten uns, aber wir konnten nicht nachvollziehen, was denn so wichtiges heute stattfinden würde.

Also setzten wir uns vor unser Herrchen hin und blickten es an; und zwar mit dem fragendsten Blick, den wir aufsetzen konnten. Jetzt bemerkte er unsere Neugier und fing an zu erzählen. „Also, ich habe ja vor längerer Zeit eine Menschenfrau getroffen, die mir sehr gut gefällt und die ich sehr schätze. Ich glaube fast, dass ich mich in sie verliebt habe. Du, Benny, kennst sie ja, denn sie war ja schon mehrmals hier bei uns. Diese Menschenfrau hat auch eine Katze – eine weibliche – und wir wollen heute abends sehen, ob sie mit euch Dreien auskommt. Da sie seit geraumer Zeit ganz alleine mit ihrem Frauchen lebt, wissen wir nicht, wie sie reagieren wird, wenn sie euch drei sieht. Sie heisst übrigens Bella, was so viel heisst wie „die Schöne“…. Da ich ja nicht immer bei ihr und ihrem Frauchen übernachten will, möchte ich sie euch heute Abend gerne vorstellen. Meine Freundin möchte dann – vorausgesetzt, wir sechs verstehen uns dann alle zusammen – öfters bei mir übernachten, dann bräuchte Bella nicht alleine zu Hause zu sitzen, was ihr offensichtlich nicht so gut gefällt“

Alles hatte ich nicht verstanden, aber ich bekam mit, dass nun eine Menschenfrau des Öfteren zu uns kommen, bei uns übernachten und eine Artgenossin mitbringen würde. Ich übersetzte es Kauno und Raja, und ihre Augen wurden vor Neugier doppelt so gross. Eine Artgenossin? Wie würde sie aussehen? Wie würde sie auf uns reagieren? Wir waren alle drei keine gewöhnlichen Katzen, sondern einerseits Sportkatzen, und Raja war die Tochter einer Katzen- Schönheitskönigin – und so sah sie auch aus. Wie würde „Bella“ auf uns wohl reagieren? Würden wir sie mögen? Die Neugier und die Unsicherheit nahmen parallel zu.

Da läutete es an der Wohnungstür, und unser Herrchen ging hin und öffnete. Seine Freundin, die ich natürlich wiedererkannte, stand in der Tür – mit einem Katzenkorb in der Hand. Allein die Farbe und das Styling des Korbes waren schon aussergewöhnlich – genau wie diese Menschenfrau.

Langsam stellte sie den Korb auf den Boden und begrüsste unser Herrchen sehr herzlich. Wir drei Katzen hörten sofort mit unserem kurzen Training auf und blickten neugierig in Richtung Katzenkorb. Die Frau öffnete die Katzenklappe des Korbes und heraus kam eine wunderschöne, dreifärbige Kätzin. Sie ging ein paar Schritte auf uns drei zu und stoppte plötzlich ihre Schritte. Was war geschehen? Dass sie Bella hiess, wussten wir, dass sie schön war, sahen wir, aber was Raja und ich nicht wissen konnten, war, dass sich offensichtlich Bella und Kauno sehr gut kennen mussten, denn Kauno ging mit hoch erhobenen Schwanz auf sie zu, beschnupperte sie von allen Seiten, was sich die Katze freundlich gefallen liess, und erkannte seine…… Schwester.

Auch Bella beschnupperte Kauno intensiv, und plötzlich legten beide ihre Schwänze übereinander, was einer menschlichen Umarmung gleichkommt.

Bella war ja vor längerer Zeit von dem Bauernhof, wo auch Kauno geboren wurde, einer liebevollen Dame aus Wien übergeben worden, weil die Bauersleute nicht so viele Katzen auf ihrem Bauernhof haben wollten. Aber dass diese Dame ausgerechnet die Freundin unseres Herrchens war… unglaublich! Wir vier gingen jetzt auf den Balkon hinaus – Bella folgte uns mit einigem Respektabstand zu mir – und Kauno erzählte uns beiden – Raja und mir – von seinem Leben, bevor wir uns kennen gelernt hatten. Ich wusste ja schon so manches aus Kauno’s Leben, aber Raja, Kauno’s Katzenliebe, hörte mit grossen Augen seinen Ausführungen zu. Bella sass zwischen uns und fasste es nicht, Kauno wiederzusehen. Viele langgezogene „Miaus“  tönten über den Balkon in die Wohnung und sogar in den Park, wo viele meiner Artgenossen ihren üblichen Tätigkeiten nachgingen, aber plötzlich stehen blieben und lauschten. Offenbar freuten sie sich mit uns, dass Kauno seine Schwester wiedergefunden hatte, und dass wir vier so wunderbar zusammen zu passen schienen.

Herrchen und seine Freundin kamen nun ebenfalls auf den Balkon hinaus und sahen uns mit genauso grossen Augen an, wie wir Katzen uns untereinander anblickten.

Plötzlich schien die Dame eine Erklärung für unser Verhalten zu haben und vermutete, den Grund dafür zu kennen. Sie sagte zu Herrchen: „Weisst du, als ich damals meine Bella vom Bauernhof abgeholt habe, war dort noch ein kleiner grauer Kater, ich erinnere mich noch gut an ihn. Der ist allerdings noch einige Zeit bei seiner Mutter geblieben. Ich hatte aber bis heute keine Ahnung, was aus ihm geworden ist. So wie das hier aussieht, dürfte dein Kater seine Schwester gefunden haben!“

„Ja, ich kann mir das schon vorstellen“, sprach Herrchen, „aber ich habe den grauen Kater auch noch nicht so lange bei mir. Er ist seinerzeit von einem Auto angefahren worden, wurde wieder gesund, und dann habe ich ihn zu Benny geholt, damit er nicht so alleine war. Eigentlich hat ihn Benny zu uns gebracht, denn eines Tages war Kauno mit einer blutenden Pfote und einem abgerissenen Ohr auf unserem Balkon aufgetaucht. Ich bin dann schnell mit ihm in die Tierklinik zur Erstversorgung und habe ihn später gesund gepflegt. Seither lebt er hier mit Benny und Raja, die ja auch ein Findelkind ist, bei uns“.

Da blickte die nette Dame unser Herrchen zärtlich an, legte ihren Arm um seine Schulter und sagte mit sanfter Stimme: „Du bist ja wirklich ein grosser Katzenfreund, mein Schatz, deine drei leben hier ja wie im Paradies, und wenn meine Bella von den dreien lieb aufgenommen wird, hat sie das grosse Los gezogen.“ Nun drückte Herrchen seine Lippen auf ihren Mund – einen Kuss nennen das die Menschen -, dann flüsterte er: „So wie ich mit dir.“ Und wieder küssten sie einander, während Kauno seiner Freude über das Wiedersehen mit seiner Schwester freien Lauf liess.

Danach setzten sich die beiden lieben Menschen zu Tisch, und während sie zu Abend assen und sich angeregt unterhielten, sah mich Bella die ganze Zeit an. Raja und Kauno fiel das natürlich auf und sie beschlossen, mich vom Balkon in die Wohnung zu lotsen. Ich folgte ihnen, während Bella noch draussen sass und in den Park hinunter blickte. Für sie war das alles neu, und wir Katzen sind ja von Natur aus neugierig. Sie sah einige Kumpels von mir im Park und dachte sich wohl, dass ich einer von diesen sogenannten „Freigängern“ wäre, die des Nachts durch die Parkanlagen streifen und dabei vielen Artgenossen – natürlich Kätzinnen -nachstellen. Dem war aber nicht so; aus vielerlei Gründen, aber die waren in unserem Katzenleben tabu. Darüber sprach niemals eine Katze. Dennoch erklärten mir Raja und Kauno, dass Bella wohl Interesse an mir hatte und dass ich ihr anscheinend gefiel.

Aber noch war es nicht so weit, noch musste ich doch trainieren, trainieren und wieder trainieren – denn – die Katzenolympiade kam unweigerlich näher – jeden Tag ein kleines Stück….