Zwei Wochen waren vergangen, seit Herrchens Freundin und auch Bella bei uns eingezogen waren. In grosser Harmonie lebten wir sechs – wir vier Katzen und unsere menschlichen Besitzer – zusammen. Unglaubliches Glück, um das mich alle Kumpels im Park beneideten. Wir hatten nun austrainiert, und dieser Tag war unser Ruhetag vor dem grossen Ereignis – der Katzenolympiade.
Die Nennungen wurden bestätigt, Kauno und ich wurden zur Veranstaltung zugelassen – zusammen mit drei anderen Katzen aus Österreich – so dass unserem Wettbewerb nichts mehr im Wege stand.
Die Olympiade fand zufällig auf demselben Gelände statt, auf dem wir so erfolgreich die Staatsmeisterschaften absolviert hatten. Zur Erinnerung: Ich hatte ganz knapp gewonnen, und Kauno war überraschend Dritter geworden. Heute würde ich das nicht mehr überraschend nennen – wenn ich mir meinen Kumpel so ansehe. Seine körperliche Verfassung war enorm, sogar noch um einiges besser als die meine; und die war schon ganz schön ordentlich.
Gestern hatte mein Herrchen die Latte auf 1,20 Meter gelegt und den mit Styropor erhöhten Kasten in einer Diagonale von 6,40 Meter, was Kauno aber nicht wusste. Er dachte mit Sicherheit, dass es weniger wäre, aber er meisterte auch diese Entfernung, und das bedeutete „WELTREKORD eingestellt“.
Schon zeitig am Morgen des nächsten Tages – nach unserem Ruhetag, den wir total relaxt und friedlich ohne Training absolviert hatten -, fuhren wir ab. In eine ungewisse Situation. Raja und Bella blieben zurück, und Herrchens Freundin kümmerte sich natürlich um die beiden Katzendamen. Schon im Auto waren wir ganz still und schliefen auf der Autobahn ein wenig.
Auf dem Olympiagelände angekommen, wo schon alles aufgebaut war, konnten wir reges Treiben beobachten und – enorm viele Teilnehmer. Es müssen mindestens 300 Katzen gewesen sein, die sich mit ihren Herrchen, Frauchen und Trainern auf dieses Event vorbereiteten.
Wir stiegen aus unseren Transportkörben, die wirklich sehr grosszügig ausgestattet waren, und setzten uns einmal vorsichtig ins Gras. Den österreichischen Teilnehmern wurde ein bestimmter Trainings- und Aufenthaltsplatz zugewiesen, wo wir einander erst mal alle begrüssten. Ausser Kauno und mir starteten für Österreich der Osttiroler Kater „Toro“, „Seppi von Landeck“ aus Tirol und der steirische Kater „Burschi“. Da sassen wir und blickten einander neugierig an. Natürlich plauderten wir ein wenig – in unserer Katzensprache, die Menschen nur teilweise verstehen – und die drei anderen Katzen blickten erstaunt auf Kauno, der nervös herumstrich. Toro fragte mich, wie wir trainiert hätten, um solche Muskulatur aufzubauen. Ich blickte nur dankbar auf meinen Besitzer und erklärte den Dreien, dass es wohl die zweite und letzte Katzenolympiade für mich sei. Ich wollte eigentlich nicht mehr dieses Trainingspensum absolvieren und mich eher Bella zuwenden, die in letzter Zeit nicht viel von mir gehabt hatte. Kauno ging es ebenso, auch er würde viel lieber Zeit mit Raja verbringen.
Grosse Zeremonien leiteten die Olympiade für Katzen ein. Es waren 50 Nationen vertreten, 250 Katzen waren angemeldet worden. Das war Rekord. Ein wenig mulmig wurde mir schon bei dieser Menge an Konkurrenten, aber da mussten wir – Kauno und ich – jetzt durch.
Natürlich war auch Johnny Cat, der Amerikanische Meister und frühere Olympiasieger, am Start. Wir begrüssten uns kurz, und Johnny blieb bei Kauno eine Weile stehen, musterte ihn und fragte mich dann, wer das denn sei. Ich gab ihm zu verstehen, dass das mein Kumpel aus Wien sei, der mit mir in einem Haushalt mit zwei Kätzinnen lebte. Ich hatte gedacht, Johnny würde es nie einfallen, zu einem Newcomer zu gehen, um ihn zu begrüssen, dennoch machte er überraschender-weise bei Kauno eine Ausnahme. „Hallo, ich bin Johnny Cat aus Los Angeles“, miaute er meinen Kumpel an. „Du bist ja ein enormes Kraftpaket. Willst du vielleicht Olympiasieger werden?“ Kauno wusste nicht, wie ihm geschah. Er stotterte: „Ja, jaaa…wenn es möglich ist, schon“… „Dann musst du mich und einige andere besiegen…und vor allem deinen Freund. Na dann, viel Glück“. Sprach‘s und ging zu seinen Kollegen. Kauno blickte nur verdutzt. Träumte er oder hatte da eben der Olympiasieger mit ihm gesprochen? Er konnte es fast nicht glauben.
Ja, wer war noch gekommen, den ich kannte? Da war einmal Bengal Bengali, der indische Kater, der bei der letzten Olympiade Sechster geworden war, dann der Chinesische Pekineserkater Mao Miau Mi, auch ein Medaillenanwärter; gross, stark und durchtrainiert. Auch Urs Kätzli, der Schweizer – Achter bei der Olympiade im vergangenen Jahr – war da, und viele andere Kater, die ich schon von meinen vergangenen Starts kannte. Und dann war da noch der freundliche, immer zu Spässen aufgelegte Kenzo von Katzendorff, ein adeliger Kater mit Stammbaum aus Deutschland. Er hatte dieses Jahr die deutsche Meisterschaft gewonnen und war äusserst kräftig gebaut. Aber an die Muskelpakete von Kauno kamen andere Katzen nicht heran, nicht einmal Johnny Cat und Francis Chatnoir aus Frankreich. Es gab natürlich noch sehr viele andere wichtige Kumpels, aber die Veranstaltung ging weiter, und es wurde ausgelost, wer in den einzelnen Disziplinen und Gruppen an den Start gehen durfte.
Ich hatte kein Losglück, denn eine Disziplin, in der ich nicht Weltklasse war, wurde als erstes gezogen: Hoch/Weit. Kauno strahlte. Es war seine Lieblingsdisziplin, und wenn er darin gut abschnitt, könnte das ein hervorragender Start in den Bewerb für ihn werden.
Aber vorerst waren Ausscheidungskämpfe angesagt, die Kauno – für mich überhaupt nicht überraschend – gewann. Ich hatte das Gefühl, dass sich Johnny Cat etwas zurückgehalten hatte, denn er begnügte sich mit Rang fünf. Wahrscheinlich wollte er die Karten nicht sofort auf den Tisch legen – wie die Menschen so sagen. Ich selbst wurde Vierter, aber immerhin noch vor Johnny, der gelangweilt unter einem Baum sass und das Treiben relativ entspannt beobachtete. Noch war es nicht soweit, und man hatte ja Zeit, waren es doch nur die Ausscheidungskämpfe – die echte Power mussten wir erst im Finale abrufen.
Dann begann endlich das Finale; die Favoriten waren alle dabei. 16 Katzen mussten sich im Bewerb „Hoch/Weit“ miteinander messen. Es begann der letzte der 16 Teilnehmer, ein Kater aus Spanien. Dann die anderen vom Platz 15 aufwärts, bis ich an die Reihe kam. Zu diesem Zeitpunkt führte überraschend der immer fröhliche Kenzo von Katzendorff mit 6 Metern 10. Er hatte somit sogar den Favoriten Johnny Cat geschlagen, der nur auf 6 Meter 06 kam. Neugierig blickten alle meine Konkurrenten auf mich. Spannung lag in der Luft, und bevor ich meinen Anlauf auf das Hindernis unternahm, blickte ich kurz zu Kauno. Der zwinkerte nur mit den Augen, und ich war beruhigt. Ich stellte mich am Ende der Anlaufbahn auf, und die Kampfrichter gaben die Bahn frei, viele Katzen waren gekommen, um mich zu sehen und um abzuschätzen, wie schwer dieser Sprung sein musste. Auch viele menschliche Zuseher blickten zu mir herüber, war ich doch bei der vergangenen Olympiade Dritter im Gesamtklassement geworden und daher so etwas wie ein Maßstab.
Ich biss die Zähne zusammen und rannte los. Würde mir der Absprung gelingen? Würde ich mich an der Styroporwand festhalten können? Im Vorbeirennen sah ich, wie Kenzo fröhlich grinste. Bei uns Katzen sind dabei die Augen halb geschlossen.
Ich hatte nun die höchste Geschwindigkeit und sprang ab. Der Styroporwürfel kam immer näher, ich krallte mich daran fest und zog mich hinauf, um gleich darauf herunter zu springen und neugierig auf die Weite zu blicken. Die Kampfrichter kamen zusammen und vermaßen meinen Sprung. „6 Meter 18 für Benny aus Österreich“ rief einer. Ich hatte es geschafft. Ich lag in Führung. Kenzo grinste noch mehr, denn er wusste, dass ich um den Deut besser war als er. Aber noch war die Suppe nicht gegessen. Es kamen noch zwei Gegner, und Kauno, der als Sieger in der Vorentscheidung als Letzter zum Sprung kam, zitterte seinen Auftritt entgegen…
„Rambo“ aus Australien und „Pico“ aus Italien, die die Plätze 2 und 3 aus dem Vorspringen belegten, kamen nicht über 6,05 Meter, sodass ich in Führung blieb – ja, bis Kauno kam. Es war seine Spezialdisziplin, und ich wusste, dass nur er mich schlagen konnte. Ich hatte – als einziger – das Gefühl, dass Kauno um einiges besser springen konnte als ich.
Mein Freund hatte seine Nervosität abgelegt und ging ganz ruhig zum Ende der Anlaufbahn. Sehr viele Konkurrenten waren gekommen, um das „Kraftpaket aus Wien“, wie Kauno von vielen genannt wurde, zu sehen.
Er blickte starr und konzentriert nach vorne und begann seinen Sprint. Die Geschwindigkeit war nicht so hoch wie bei mir, aber seine Muskulatur an den Hinterbeinen war sehr stark ausgeprägt. Der Absprung passte perfekt, und Kauno flog förmlich über die Querlatte auf den Würfel zu. Sein Körper kam zur Gänze oben am Würfel an und das bedeutete mit Sicherheit Bestweite.
Erstaunen breitete sich bei den Kampfrichtern aus, als sie die Weite vermessen hatten. Kauno war mittlerweile wieder vom Hindernis herunter gesprungen und stand abwartend daneben. Einer der Offiziellen rief laut: „6 Meter 45 – neuer Weltrekord!“, worauf alle Konkurrenten neidlos zu Kauno liefen und ihm gratulierten. „Naja, wie du aussiehst – kein Wunder“, lobte Kenzo, „aber es kommen ja noch drei Disziplinen – schauen wir einmal…“
Dass zwei österreichische Katzen in Führung lagen, war zwar überraschend, aber nicht unmöglich. Unsere drei anderen österreichischen Freunde kamen auf die Plätze 20, 22 und 28, aber immerhin waren ihre Sprünge um die 5 Meter 50, was auch hervorragende Leistungen waren.
Der erste Tag der Katzenolympiade war vorbei, drei weitere Tage sollten noch folgen; drei Tage mit spannenden Kämpfen von durchtrainierten und kraftvollen Kollegen. Dass ich Kauno nicht besiegen konnte, machte mir nichts aus, denn in dieser Disziplin schien er unschlagbar zu sein und er wurde auch verdienterweise Divisionssieger. Zumindest hatte er eine kleine Goldmedaille sicher – aber es sollten ja noch weitere drei spannende Tage werden.
Unser Herrchen und wir beide feierten bis zum Abend bei Thunfisch und guten Getränken – aber wir Katzen halt nur bei Wasser…