Jetzt ist es schon eine Woche her, dass Kauno den Unfall mit dem Auto hatte. Seither war ich nicht mehr so richtig froh. Ich lag nur mehr herum, ging ab und an zum Futternapf, aß ein paar Bissen und legte mich wieder auf den bequemen Sessel am Balkon, den ich immer durch eine Katzenklappe betreten kann.
Eine Woche hatte ich nichts von meinem Kumpel gehört. Ich war sehr traurig, und meine Gedanken kreisten immer um ihn. Was war nur mit ihm passiert? Ich vermisste ihn. So einen tollen Katzenkumpel findet man nicht alle Tage. Er ist einmalig. In seiner Art und in seinem Wesen. Er teilt immer alles mit mir. Wenn ich etwas fange, teilen wir, wenn er etwas fängt, ebenso. Manchmal nehme ich ihn auch mit auf den Balkon, und wenn mir Herrchen gutes Essen in mein Schüsselchen legt, teile ich mit Kauno auch dieses.
Ich muss ihn wiedersehen, dachte ich mir wieder und wieder. Aber wie sollte ich das anstellen? Ich kannte zwar das Haus, in dem er jetzt, nach seinem Unfall, lebte, aber nicht die Wohnung des Mannes, der sich nach dem Unfall um ihn kümmerte.
Ich hatte einen Plan. Ich musste mich auf den Weg machen, irgendwie in das Haus hinein kommen und mich bemerkbar machen. Bei jeder Tür lauschen, rufen und wieder lauschen; solange bis sich Kauno irgendwie melden würde. Ich hoffte natürlich sehr, dass er wieder einigermaßen gesund war, um mit mir reden zu können.
Ja, reden. Das ist für Menschen bloss ein miauen, aber wir Katzen kennen sehr viele Arten, wie wir uns verständigen. Menschen verstehen vielleicht nur „miau“, aber können nicht begreifen, dass es viele Möglichkeiten gibt, durch dieses „miau“ etwas auszudrücken. Sensible Menschen können wohl unterscheiden, was eine Katze will, und einige können sogar verstehen, was wir genau wollen, aber der Grossteil der Menschen versteht nur unser „miau“. Mein Herrchen zum Beispiel ist ein Mensch mit sehr feinen Antennen, deshalb verstehen wir uns sehr gut. Ich äussere meine Wünsche, und er kann anhand meiner Stimme erkennen, was ich will. Aber das ist die Ausnahme….
Ich zog also los. Beim Haus von Kaunos neuem Herrchen angekommen, wartete ich geduldig, bis jemand hinaus oder hinein ging. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür, und ein junges Menschenkind kam heraus. Ich dachte, dass sie in die Schule gehen würde, wusste es aber nicht genau. Jedenfalls huschte ich schnell hinein und lauschte an den Türen; ging von Stock zu Stock und rief nach Kauno. Plötzlich hörte ich an einer Türe ein leises Katzenstimmchen. Ich rief: „He, Kauno, bist du da drinnen?“ „Ja“, tönte es leise von innen. „Was ist mit dir, geht‘s dir gut?“ fragte ich aufgeregt. „Ja, es geht so“, antwortete Kauno, „mich schmerzen noch ein bisschen die Rippen, aber sonst geht es mir schon besser. Gut, dass ich so schnell in die Tierklinik gebracht wurde. Sie haben mir einen Rippenpanzer verpasst, aber in ein paar Tagen sollte ich wieder dorthin, dann nehmen sie ihn mir ab.“
Meine Erleichterung war gross, als ich Kaunos Antwort erhielt. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich jetzt vor der Türe wartete, bis sein neues Herrchen nach Hause käme. Kauno erklärte mir, dass das keine gute Idee sei, denn dann würde der glauben, dass er sich in absehbarer Zeit, – nachdem er wieder gesund wäre – von ihm verabschieden würde. Das wollte er diesem Menschen nicht antun. Also blieb mir nur über, mich von meinem Freund zu verabschieden und die Hoffnung zu bewahren, Kauno irgendwann wieder zu sehen.
Es war schon auch eine grosse Erleichterung für mich zu wissen, dass es meinem Kumpel wieder besser ging. Also ging ich zufrieden nach Hause und legte mich in meinen bequemen Sessel in der Gewissheit, dass meine Tage wieder schöner würden, ich wieder fressen konnte und auch mein Herrchen, der ja nicht wusste, wie es um mich bestellt war, wieder beruhigt war. Er hatte natürlich mitbekommen, dass ich sehr traurig war und fast nichts fressen konnte. Es war ihm ein Rätsel, wie ein so aufgeweckter und vitaler Kater plötzlich fast nur noch apathisch herumliegen konnte.
Ich habe mir geschworen, meinen Kumpel nicht im Stich zu lassen und alles daran zu setzen, mit ihm wieder um die Häuser zu ziehen und durch den Park zu streifen.