Wieder sind ein paar Tage vergangen, und in unserem Park, in dem wir uns teilweise unser Futter organisieren, hat sich einiges verändert. Seit Kaunos Unfall mit dem Auto, wo er unachtsam über die Strasse gelaufen war, hatte sich im Park einiges zugetragen. Eines Tages, nachdem Kauno in der Wohnung seines neuen Herrchens untergekommen war, der ihn wieder gesund pflegte und mehrmals mit ihm die Tierklinik aufsuchte, war plötzlich ein grosser grauer Tigerkater aufgetaucht, der meinte, im Park die Herrschaft an sich reissen zu müssen. Alle Katzen und Kater, die sich dort herumtrieben, mieden diesen grossen, kräftigen Kater, der ganz schön böse und gewalttätig werden konnte, sollte nicht alles nach seinen Willen laufen. Hatte einer meiner Katzenfreunde etwas gefangen, kam Devil – so nannten wir ihn – und wollte davon fressen. Gab man ihm nicht ein Stück oder gar die ganze Mahlzeit, wurde er wütend und kratzte, biss und schlug auf den anderen ein, sodass ihm viele Katzen das Fressen „freiwillig“ überliessen. Man muss sich ja vorstellen, dass man als freilebende Katze oft stundenlang vor einem Mauseloch oder einem geschlossenen Abfallcontainer sitzt und wartet, bis jemand den Container öffnet und man hinein kann, oder bis aus einem Mauseloch doch noch irgendwann eine Maus ins Freie will.

Jedenfalls war es so, dass Devil mich mied. Er sah und dachte wohl insgeheim, dass ich mir nicht alles gefallen liesse und auch bereit wäre zu einem Kampf, den er dann vielleicht verlieren könnte. Er war zwar um mindestens eineinhalb Kilo schwerer und auch kräftiger als ich, hatte sicherlich schon viele Kämpfe hinter sich und sah auch dementsprechend aus, aber mit mir wollte er sich doch nicht anlegen, da er sah, wie flink und wendig ich war. Ich habe viele Tricks von meinem Besitzer gelernt, der von Anfang an immer eine halbe Stunde pro Tag mit mir spielte. Natürlich mit einem Spezial-Handschuh. Wir übten schnelle Bewegungen, blitzschnell drehen, springen, von 3-4 Metern springen, ohne sich weh zu tun, und auch Körpertäuschungen, sodass es für andere Kater schwer werden würde, mir etwas anzuhaben. Ich war auch mit 1 1/2 Jahren in Budapest bei der Katzenolympiade gewesen, wo viele Katzen aus aller Welt im Vierkampf um Medaillen kämpften. Mein Herrchen hatte mich damals zu dieser Olympiade angemeldet, und ich habe viele Ausscheidungs-verfahren durchgemacht, bis ich mit einem anderen Kater aus Österreich zu diesem Wettkampf in Ungarn zugelassen wurde. Ich habe dort die Bronzemedaille für österreichische Katzen gewonnen und war sehr stolz und glücklich, diese Leistung erbracht zu haben.

Also, wie gesagt, dieser „Devil“ mied mich. Jedesmal, wenn wir uns zufällig trafen, blickte er auf die andere Seite, so als wollte er mich gar nicht sehen.

Ich lag also wieder einmal auf meinem wunderbar weichen und sonnigen Plätzchen am Balkon und schloss meine Augen, döste vor mich hin und dachte an viele Dinge, die noch vor mir lagen. Die Sonne schien auf meinen Bauch, und Kauno war irgendwo im Park unterwegs, um Futter zu fangen, als ich plötzlich einen lauten, schmerzhaften Katzenschrei hörte. Ich erkannte die Stimme sofort. Dieses Pfauchen und drohende Schreien konnte nur Kauno gehören. Sofort war ich hellwach. Ist Kauno schon wieder etwas Schlimmes zugestossen, dachte ich sofort. Dann sah ich durch die Bäume, wie Kauno mit Devil zu raufen begann. Sofort sprang ich von meinem Balkon die 3 bis 4 Meter ins Gras der Parkanlage und rannte zum Ort des Geschehens. Einige andere Katzen, die ich natürlich kannte, sassen oder standen in Respektabstand um die beiden herum. Devil hatte sich mittlerweile in ein Ohr von Kauno verbissen und liess nicht mehr los. Kauno schrie und fauchte, aber es nützte nichts. Keine der anderen Katzen konnte oder wollte eingreifen.

Ok gut, ich überlegte nicht lange und sprang von hinten auf Devil und verbiss mich in seinen Nacken. Augenblicklich liess er von Kauno ab, der aus dem Ohr blutete, und rannte, mit mir auf dem Rücken, ein Stück weg vom Kampfplatz. Ich sah noch, dass Kauno ein Stück seines Ohres fehlte, und seine Vorderpfote blutete ebenfalls. Er war früher auch ein wilder Kämpfer gewesen, aber kein Böser, sondern immer für Katzengerechtigkeit eingetreten, aber seit seinem Unfall mit dem Auto war er nicht mehr der Alte. Die enorme Kraft von früher hatte er einfach nicht mehr. Er war Devil nicht gewachsen, und es wäre schlecht für ihn ausgegangen, wenn ich nicht dazwischen gefahren wäre.

Devil hatte mich mittlerweile abgeschüttelt und wir standen uns gegenüber. Seine Augen blitzten, und er war bereit zu einem Kampf, der sicherlich nicht harmlos ausgegangen wäre. Ich dachte mir, Angriff ist die beste Verteidigung. Also sprang ich mit einer Schnelligkeit, von der ich selbst überrascht war, an seine Kehle. Weder früher noch später war ich in der Lage, so schnell zu reagieren. Ich dachte nur an Kauno, und wie ich ihn da heraushalten könnte. Erst später erfuhr ich, dass Devil von Kauno Futter stehlen wollte, dass aber Kauno ihm sein Fressen nicht kampflos überlassen wollte. Ausserdem fühlte sich der grosse, graue Kater als König des Parks.

Mit diesem Angriff und mit meiner Schnelligkeit, die mir mein Herrchen antrainiert hatte, konnte Devil nicht rechnen. Er war zwar stärker und kräftiger – und auch schwerer als ich -, aber niemals so schnell und trickreich. Ich fackelte nicht lange und biss zu. Langsam sank Devil zu Boden. Er gab auf. Er hatte wohl erkannt, dass er in mir seinen Meister gefunden hatte. Kraftlos und blutend räumte er das Feld. Später hörte ich, dass ihn jemand auf der Strasse gefunden und zum Tierarzt gebracht hatte, der seine Wunde nähte und die Blutung stillte, sodass er überlebte. Von da an war er nicht mehr derselbe. Anscheinend habe ich durch mein Eingreifen nicht nur Kauno geholfen, sondern auch einen hochmütigen und eingebildeten Kater in die Schranken gewiesen.

Wichtig ist für mich auch, dass ich ihn nicht getötet habe, sondern eben nur so verletzt hatte, damit er sein teuflisches Werk, die Unterdrückung anderer Katzen, nicht fortführen konnte.

Ich ging dann zurück in den Park, und da sassen sie alle. Kauno blutete zum Glück nicht mehr. Ein Stück von seinem Ohr hing zwar noch herunter aber auch die Pfote war nicht mehr blutig. Er hatte sie abgeleckt, war sichtlich schockiert, aber auch erleichtert, dass alles zu Ende war.

Seither war ich der Held aller Katzen im Park und wurde einstimmig zu ihrem Oberhaupt ernannt. Für mich war das eine grosse Ehre. Alle Katzen achteten mich von diesem Zeitpunkt an und kamen oft mit Fragen zu mir, die ich ihnen dann nach bestem Wissen beantwortete.

Das Geheimnis lag für mich an meiner Ausbildung, die mein Herrchen mit mir, seit ich ein Katzenkind war, vorangetrieben hatte.

Kauno war mir seit diesem Ereignis noch mehr ans Herz gewachsen – und das wusste er.