Da sitze ich nun auf Herrlis wunderschönem Balkon und blicke auf die Strasse und in den Park. Ja, genau in den Park, wo ich mir ab und zu meine Mahlzeiten hole. Doch heute mag ich nicht dorthin. Herrli hat nämlich eingekauft. Meine feine Nase meldet mir: Fisch – oder doch Fleisch? Oh, es ist Lachs. Wunderbarer, wohl riechender Lachs. Schön zart orangerosa, und wie der duftet! Wozu soll ich mir da mein Futter selbst besorgen.

Ich denke die ganze Zeit nach, was Herrchen wohl heute Abend vor hat. Wenn er so köstlichen Lachs kauft, muss da was im Busch sein. Meine Nase signalisiert mir, dass dieses köstliche Etwas in den Kühlschrank gesperrt wurde, damit ich (vielleicht) nicht auf dumme Ideen komme. Aber ich kann warten.

Für den Abend ist Besuch angekündigt. Da soll der Lachs serviert werden. Meine Augen weiten sich, als ich sehe, wie Herrli den Lachs ins Esszimmer trägt. Meine Nase empfängt den Duft, und ich beginne zu flehmen. Das ist ein Mittelding aus riechen und schmecken, was zur Folge hat, dass ich ganz leicht aus dem Schnäuzchen tropfe. Meine grünen Augen werden immer grösser, als ich meinen „Besitzer“ anschaue. Ich gehe ihm nicht von der Seite. Ich verwende mein nettestes Miau, aber er hört nicht auf mich. Er stellt einfach den Teller mit dem Lachs auf den Tisch, ohne mich auch nur einmal anzusehen. Es läutet an der Tür, und ich sehe meine Chance gekommen, aber ich traue mich nicht so richtig. Ich denke mir: „Bin ich nun ein Kater oder nicht?“. Katzen machen, was sie wollen. Und holen sich auch, was sie wollen. Doch diesmal setze ich mich neben den Tisch und warte.

Es dauert sehr lange, bis Herrchen wieder ins Esszimmer kommt. Seine weibliche Begleitung – eine sehr sympathische, gut riechende Dame –  bringt noch Sekt und Toast sowie Zitronen und Senf dazu. Ich habe jeder Versuchung widerstanden, aber meine Augen verraten, dass ich doch zu gerne ein Stück von diesem wunderbaren Essen abbekommen würde.

Und jetzt kommt das Erstaunliche. Ich werde von Herrchen und seiner Begleitung mit Lob überschüttet. Sie sagt: “ Das ist aber ein kluger und lieber Kater, dass er sich gar nichts von dem Lachs genommen hat, der da so verlockend herumgelegen ist.“ Mit Verwunderung und ebenso grossen Augen wie ich blickt mich mein Herrchen an. Und dann kommt etwas, was ich nie und nimmer erwartet hätte. Er beugt sich zu mir herunter, streichelt mich und nimmt von seinem Teller ein sehr grosses Stück Lachs, das er in meine Futterschüssel legt. Den Rest kann sich wohl jeder denken. Ich reinigte und schleckte mein Schnäuzchen nachher sehr lange und blickte dankbar nach oben – zu meinem wunderbaren Menschen, der mich auch deshalb ins Herz geschlossen hat, weil ich mich bei der Futterzuteilung beherrschen konnte. Seine Begleitung sagte so in etwa: „Das machen aber wirklich nicht viele Katzen; dieser Versuchung zu widerstehen. Die meisten hätten wohl doch ein Stück Lachs gestohlen“.

Ich fühlte deshalb, wie sehr ich meinem Besitzer vertrauen konnte, und er mir…. und auch wenn ich nur ein kleiner Kater bin, so weiss ich: Wenn man warten kann, kann es sich auch auszahlen.